Am 31. Mai 2021 fand die dritte Informationsfahrt zur Braunkohlesanierung im Leipziger Neuseenland statt. Dazu angereist waren zahlreiche regionale Mandatsträger im Sächsischen Landtag und im Deutschen Bundestag sowie Schlüsselakteure aus Verwaltung, Kommunen, Wirtschaft und Verbänden. Organisiert worden war die Veranstaltung – wie bereits 2011 und 2016 – von der Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland in Zusammenarbeit mit dem Regionalen Planungsverband Leipzig-Westsachsen. Die Gesamtmoderation übernahmen Prof. Dr. Andreas Berkner als Leiter des Regionalen Planungsverbands und Landrat Henry Graichen als Sprecher der Steuerungsgruppe. Der Termin bot den Beteiligten an insgesamt sechs Haltepunkten die Möglichkeit, sich zu den Sachständen und Handlungserfordernissen auszutauschen.
Am ersten Standort, dem Biedermeierstrand am Schladitzer See, führten Landrat Kai Emanuel, der Schkeuditzer Oberbürgermeister Rayk Bergner, der Rackwitzer Bürgermeister Steffen Schwalbe, der Seenkoordinator Eckhard Müller und Christoph Zwiener als Kulturverantwortlicher des Strandvereins Hayna aus, welch hoher Nutzungsdruck im Bereich des gefluteten Tagebaugeländes herrsche und dass weitere Investitionen, z. B. die Errichtung von Überwachungs- und Servicestationen und der Ausbau des Außengeländes, vonnöten seien, um keinen Bruch bei der Weiterentwicklung herbeizuführen. Die Kommunen spüren laut Rayk Bergner einen „immens wachsenden Zuspruch“ am Schladitzer See, der 2003 vorzeitig in Nutzung ging. Seither haben sich am Südufer der Biedermeierstrand und am Ostufer der Sportstrand von All-on-sea erfolgreich angesiedelt und ziehen Besucher aus nah und fern an. Rolf Schlottmann wies in seiner Funktion als LMBV-Abteilungsleiter Planung Westsachsen-Thüringen auf die noch offenen drei Wasserrechtsverfahren für diesen Sanierungstagebau hin und erinnerte an die extrem trockenen Jahre 2017, 2018 und 2019, in deren Folge die ursprünglichen Modellberechnungen für den Wasserspiegel des Schladitzer Sees nicht mehr passen. Der Wasserspiegel liegt zurzeit 1,5 m unter den einstigen Prognosen.
Der Aussichtspunkt Störmthal als zweiter Haltepunkt bot eine beeindruckende Aussicht auf den Störmhaler See mit Steilufer, Ferienresort, Magdeborner Halbinsel, VINETA und Störmthaler Kanal. Dr. Gabriela Lantzsch, die Bürgermeisterin von Großpösna, berichtete von der wassertouristischen Entwicklung. Ihr „Herzensprojekt“ sei es, einen Inklusionscampingplatz vor Ort anzusiedeln und mehr Barrierefreiheit rund um den See zu schaffen. Interesse weckten die gut sichtbaren öffentlichen Trockentoiletten im Uferbereich. Die derzeit fünf autarken Toilettenboxen sollen entsprechend Standortkonzeption auf acht Stück erhöht werden. Die Konzeption dafür wurde vom Zweckverband Kommunales Forum Südraum Leipzig in Auftrag gegeben und durch Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, GRW-Infra, gefördert. Die Kosten für die Aufstellung der autarken barrierefreien Boxen wurden über das Programm „Lieblingsplätze für alle“ des Freistaats Sachsen finanziert. Zur Sprache kam des Weiteren die derzeitige Sperrung des Störmthaler Kanals und der Kanuparkschleuse, die laut Landrat Henry Graichen deutschlandweit zu den meistgenutzten Schleusenanlagen gehöre, und die geplante Brücke über den Kanal, die ursprünglich über Gelder aus den §§ 2 und 4 des Verwaltungsabkommens Braunkohlesanierung finanziert werden sollte. Thomas Rösler, LMBV-Leiter Projektmanagement Westsachsen-Thüringen, erläuterte die Gefahrenabwehrmaßnahmen am Störmthaler Kanal.
Am KAP Zwenkau bestiegen die Teilnehmer die MS Santa Barbara für eine Rundfahrt auf dem Zwenkauer See und nahmen die Baustelle des Harthkanals mit dem nach Prof. Dr. Andreas Berkner „kompliziertesten denkbaren Baugrund“ aufgrund des Kippenbodens in Augenschein. Er wies darauf hin, dass die Gewässerverbindung zum Cospudener See die „Schlüsselmaßnahme im Leipziger Neuseenland“ sei und dass Planungssicherheit für den Weiterbau nach 2022 benötigt würde, auch im Hinblick auf den Hochwasserschutz. Holger Schulz als Verbandsvorsitzender des Zweckverbands Neue Harth und Bürgermeister von Zwenkau begrüßte seine Gäste in gewohnter Manier mit einem „Glückauf und Ahoi“ als Referenz auf die bergbaureiche Vergangenheit und die wassertouristische Gegenwart. Der gebürtige Zwenkauer führte aus, wie sich die Stadt am See mit ihren unterschiedlichen Landschaftsräumen entwickele, welche Bebauung im Gebiet Harthweide geplant sei und wie wichtig es sei, „immer nach Lösungsansätzen zu suchen“, wenn sich Konflikte ergäben. Er ließ nicht unerwähnt, dass für das nördliche Seeufer ein Ausbau geplant sei. Beispielsweise soll ein Anleger entstehen, von dem künftig eine Fähre zum Stadthafen verkehren und damit Radfahrern die ca. 23 km lange Rundfahrt um den größten Bergbaufolgesee im Südraum Leipzig erleichtern könne.
Als nächste Station wurde die Lagune Kahnsdorf am Hainer See angefahren. Entstanden sind dort durch privatwirtschaftliches Engagement in den letzten Jahren über 80 Ferienhäuser. Der Neukieritzscher Bürgermeister Thomas Hellriegel gab gemeinsam mit Christian Conrad, dem Geschäftsführer der Blauwasser Seemanagement GmbH Neukieritzsch, Ausführungen zur Örtlichkeit. Der Hainer See befinde sich im Besitz der Blausee GmbH und biete mediterranes Flair. Die durch GRW-Infra geförderte Erschließungsstraße hätte sich bereits mehrfach refinanziert. Es gäbe sechs öffentliche Strände an dem 15 Kilometer langen Ufer, die durch den Betreiber gepflegt würden. Der Ferienhain am Nordufer mit seiner Südhanglange sei fast fertig, die Liegeplätze wären voll und es seien 25 bis 30 Arbeitsplätze entstanden, die sich v. a. auf das Betreiben von Campingplatz, Ferienwohnungen und Café verteilten. Als privatwirtschaftlicher Vor-Ort-Akteur wünschte sich Christian Conrad weitere Investitionen, z. B. die Errichtung eines Schiffsanlegers, die durchgehende Asphaltierung des Uferrundwegs oder den Neubau einer 2 Kilometer kurzen Verbindungsstraße zwischen Neukieritzsch und Kahnsdorf – einer alten Wegeverbindung, die dem Braunkohleabbau anheim gefallen war. Ein Parkplatz am westlichen Ufer war 2015 über § 4-Mittel hergestellt worden. Im Jahr 2021 seien fünf Parkplätze durch einen Investor entstanden, ein weiterer sei über das sächsische LEADER-Förderprogramm über die Gemeinde Neukieritzsch geplant. Thomas Hellriegel betonte hierbei, „es geht nur durch Miteinander“. Als Vertreter des Sanierungsträgers LMBV sprach Rolf Schlottmann über den bergbaulich beeinflussten Wasserhaushalt und die komplette Veränderung des Gewässernetzes von umverlegter Pleiße und Wyhra im Bereich des ehemaligen Tagebaus Witznitz. Durch die Zuführung von Sümpfungswasser aus dem aktiven Tagebau konnte die Flutung der Hohlform schnell abgeschlossen werden, jedoch wird langfristig bis zu 1 Tonne Eisen pro Tag aus der Kippe Witznitz in die Pleiße eingetragen. Dieser Prozess wird nach Hochrechnungen noch bis zu 150 Jahre weiterlaufen, wodurch eine langfristige Nachsorge nötig sei.
Am Speicherbecken Borna wurde die besondere Gemengelage der öffentlichen Sicherheit erläutert. Prof. Dr. Andreas Berkner stellte heraus, dass es sich bei der Stauanlage um „das zentrale Projekt für Hochwasserschutz an der unteren Pleiße“ handele. Das Becken gehöre dem Freistaat Sachsen. Es sei 1979 mit dem damaligen Stand der Technik fertiggestellt worden, wäre eingeschränkt in Nutzung gewesen und hätte 2013 seine Feuertaufe beim Hochwasser bestanden. Allerdings seien im Zuge der LMBV-Prüfungen aller mitteldeutschen Bergbaufolgeseen nach der Böschungsbewegung von Nachterstedt nach 2009 geotechnische Unzulänglichkeiten festgestellt worden, die dazu führten, dass ab Mai 2010 Sperrbereiche von der Bergbehörde festgelegt worden seien. Um der Grundbruch- und Setzungsfließgefahr zu begegnen, sollen nun im Rahmen einer § 3-Maßnahme nach Verwaltungsabkommen Braunkohlesanierung Stützdämme auf dem geschütteten Kippenboden hergestellt werden. Die LMBV agiert dabei als Projektträgerin. Zusätzlich wird bis nächstes Jahr die größte Fläche per schonender Sprengung von ungefähr 100 dazu vorzubereitenden Bohrlöchern verdichtet. Anschaulich erklärten Thomas Rösler und Rolf Schlottmann vor einem 300 Tonnen schweren Gerät zur Rütteldruckverdichtung, dass zunächst mit Hilfe von zwei Probefeldern die passende wirtschaftlichste Verdichtungstechnologie für das Gelände gefunden werden soll. Getestet wird das Einbringen von Kies, Sand und Split in 15 bis 40 Meter tiefe Rütteldrucksäulen mit ca. 3.000 Ansatzpunkten. An diesem Punkt fand auch Erwähnung, dass die Projektplanung seitens LMBV bis etwa in das Jahr 2050 gehe, wobei die wesentlichen Grundsanierungen bis zum Jahr 2035 in Größenordnungen abgeschlossen sein soll. Danach gehe es vor allem um die Minimierung der so genannten Ewigkeitslasten.
Am sechsten und letzten Haltepunkt, dem Aussichtspunkt Tagebau Vereinigtes Schleenhain, wurde durch den MIBRAG-Geschäftsführer Dr. Armin Eichholz und den Direktor Planung Bastian Zimmer thematisiert, welche Herausforderungen mit dem im Mitteldeutschen Revier bereits 2035 anstehenden Auslaufen der Braunkohleverstromung und dem damit verbundenen Strukturwandel verbunden sind. Derzeit würden jährlich 90 bis 100 Millionen Tonnen Kohle gefördert und an das Kraftwerk Lippendorf geliefert. Durch das vorgezogene, frühere Ende des Tagebaubetriebs schon im Jahr 2035 müssten Braunkohlenplan und Betriebspläne angepasst werden. Vier Seen mit einer Gesamtfläche von 16 Quadratkilometer werden im Zuge der Wiedernutzbarmachung entstehen, darunter der 12 Quadratkilometer große Pereser See. Er wird ca. 430 Millionen Kubikmeter Wasser fassen und 80 Meter tief sein. Damit wird er vom Volumen her größer als der Geiseltalsee werden. MIBRAG will nach Bastian Zimmer einen „sehr ehrgeizigen Pfad“ beschreiten: Kernstück der Unternehmenstransformation wird der Einstieg in erneuerbare Energien sein. Die Erstellung eines Windparks ist bereits geplant, zwei weitere sollen folgen. Fernziel ist die Nutzung und Veredelung von grünem Strom über die Herstellung von Wasserstoff. Insgesamt sollen ca. 200 Millionen Euro investiert werden. In diesem Zusammenhang betonte Prof. Dr. Andreas Berkner seinen Wunsch, das „Braunkohlezeitalter geordnet zu vollenden“, damit es nicht wie 1990 zu einem Strukturbruch komme, den viele Beteiligte bis heute nicht verkraftet hätten.
Während der Busfahrt wurde jeweils auf wiederhergestellte Straßenverbindungen hingewiesen, die einst durch den Braunkohlenabbau in Anspruch genommen worden waren, auf neu entstandene Naturräume wie die Lobstädter Lachen oder aber auf die geplante Fläche für den Solarpark Witznitz verwiesen. Im Laufe der Informationsfahrt wurde deutlich, wie sehr sich das Leipziger Neuseenland mithilfe der Finanzierungsquellen der Braunkohlesanierung sowohl zu einer touristischen Destination als auch zu einem Naturrefugium entwickelt hat. Für 2026 ist eine vierte Auflage der Fahrt in Planung.
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Bild oben: Gruppenbild am Zwenkauer Hafen © LMBV, Anika Dollmeyer
Bilder unten: Die einzelnen Stationen der Informationsfahrt © LMBV, Anika Dollmeyer