Am Störmthaler See soll Helmholtz-Zentrum für Klimawandel angesiedelt werden

Forschung im Kohlerevier: Das Rennen ist eröffnet

Landkreis Leipzig bringt sich für Ansiedlung eines Helmholtz-Zentrums zum Klimawandel in Stellung/Deutscher Astronaut Alexander Gerst entscheidet mit

Am Rande des ehemaligen Tagebaus Espenhain soll künftig zu Folgen des Klimawandels geforscht werden. Für 2021 werden wichtige Weichenstellungen erwartet, ob die Magdeborner Halbinsel im Rennen um den Standort eines Helmholtz-Forschungszentrums tatsächlich eine Chance hat. Denn bislang ist keinesfalls sicher, dass sich die Gemeinde Großpösna im Rennen um die renommierte Forschungsadresse auch durchsetzt.

Von der Politik versprochen ist vorerst so viel: In den beiden ostdeutschen Kohlerevieren will der Bund zwei große Forschungszentren ansiedeln - eins in der Lausitz und eins im Mitteldeutschen Revier. Dazu hat er sich im Rahmen des Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen bekannt. Die Entscheidung, wo von wem zu was geforscht wird, fällt aber erst noch.

Wissenschaftler aus dem In- und Ausland können sich beteiligen

Entscheidend dafür ist der Ausgang eines Ideenwettstreits unter dem Motto „Wissen schafft Perspektiven für die Region!“. Dieser wurde Ende November vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gemeinsam mit dem Freistaat Sachsen gestartet. Der Wettbewerb richtet sich an herausragende Wissenschaftlicher aus dem In- und Ausland, die sich berufen sehen, eine Idee für die Gründung eines Großforschungszentrums in den sächsischen Kohlerevieren zu entwickeln und umzusetzen. Eine bestehende Verbindung zwischen den Antragstellern und dem Ort, an dem eine Ansiedlung geplant ist, sei keine zwingende Voraussetzung für eine Beteiligung, heißt es.

„In einem transparenten und themenoffenen Verfahren sollen die besten Konzepte für die Gründung der beiden neuen Großforschungszentren entwickelt und ausgewählt werden“, teilt das BMBF weiter mit. Im Rahmen des Wettbewerbs werden die thematische Stoßrichtung und der genaue Standort innerhalb der beiden Regionen festgelegt.

Graichen: Region wird wettbewerbsfähiger und attraktiver

„Der Landkreis Leipzig wird sich gemeinsam mit der Gemeinde Großpösna mit einem Standortvorschlag bewerben“, erklärt dazu Landrat Henry Graichen (CDU). Denn auch für den Landkreis Leipzig steht mit dem Kohleausstieg einiges auf dem Spiel.

„Die Region wird durch ein Forschungszentrum für den Strukturwandel wettbewerbsfähiger und attraktiver“, formuliert Graichen das ehrgeizige Ziel. Immerhin geht es um die Ansiedlung von perspektivisch rund 500 Mitarbeitern und ein Investitionsvolumen von rund 60 Millionen Euro. Zudem werden im Rahmen des Strukturstärkungsgesetzes vom Bund gemeinsam mit dem Freistaat Sachsen pro Zentrum und abhängig vom wissenschaftlichen Erfolg langfristig bis zu 170 Millionen Euro jährliches Budget zugesagt.

Bis spätestens 30. April 2021 muss als erster Schritt eine aussagefähige Konzeptskizze eingereicht werden. Aus den Skizzen filtert eine hochrangig besetzte Expertenkommission etwa drei Ideen pro Kohleregion heraus. Diese wiederum erhalten eine kurzfristige Förderung von 500 000 Euro zur weiteren Ausarbeitung ihrer Vorstellungen.

Mit der Unterstützung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UfZ) in Leipzig schicken die Gemeinde Großpösna und der Landkreis Leipzig das Projekt “Claire“ ins Rennen. Die Abkürzung steht für Climate Action and Innovation - Research & Engeneering- zu deutsch: Zentrum für Klimamaßnahmen und Innovation – Forschung & Technik.

Astro-Alex sitzt mit in der Expertenkommission

Begleitet wird das Verfahren von einer „Perspektivkommission“ mit Vertretern aus den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft, Innovation und Gesellschaft. Prominentester Kopf dürfte der deutsche Astronaut Alexander Gerst sein. Gerst war 2018 während seines Aufenthalts auf der Internationalen Raumstation erster deutscher Kommandant auf der ISS.

Selbst aus dem All konnte er während seiner Weltraum-Mission erkennen, wie der Klimawandel die Erde verändert. Gerst sandte Fotos von vertrockneten Feldern und Hitzeschäden gen Heimat. Vielleicht kein schlechtes Omen für die Offerte aus dem Leipziger Südraum, die Astro-Alex gemeinsam mit wissenschaftlichen Koryphäen in den nächsten Monaten zu bewerten hat. Immerhin wollen sich die Ideengeber des Helmholtz-Zentrums auf der Magdeborner Halbinsel genau diesen Fragen widmen: Welche Anpassungsstrategien können helfen, sich gegen immer heißere Temperaturen, trockene Böden und leere Flüsse zu wappnen? Wie kann es gelingen, den Klimawandel zu meistern?

Landkreis Leipzig macht Hausaufgaben

Derzeit ist der Landkreis noch dabei, gemeinsam mit der Kommune und dem federführend beteiligten Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UfZ) in Leipzig die letzten Hausaufgaben zu machen. Es gilt, den Standortvorschlag abzurunden. „Dazu gehört das Baurecht für ein Forschungszentrum, die flexible Anbindung per ÖPNV und auch die Sicherung einer Kindertagesbetreuung“, erklärt Graichen.

Geht es nach den Protagonisten, soll sich das geplante Forschungsinstitut inmitten der Bergbaulandschaft des ehemaligen Tagebaus Espenhain den Konsequenzen des Klimawandels widmen. „Viele Unternehmen müssen für ihre Produkte und Dienstleistungen Innovationen für die Zeit nach der Braunkohle entwickeln. Ein Forschungszentrum kann dabei als Motor dienen“, zeigt sich der Kreischef überzeugt.

Darüber hinaus erhofft sich Graichen langfristige Effekte durch Ausgründungen von Start ups aus dem Forschungszentrum heraus - „mit weiteren Beschäftigungs- und Wertschöpfungseffekten für die Region“.

Wer macht das Rennen im Ideenwettbewerb?

Erst kürzlich hatte auch die Universität Leipzig erklärt, sich durch den ausgerufenen Ideenwettbewerb angesprochen zu fühlen. Man wolle, so Rektorin Beate Schücking gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, mindestens einen Antrag selbst einreichen, sich möglicherweise aber auch an Vorschlägen anderer Institutionen beteiligen. Das letzte Wort, wo die Gelder tatsächlich hinfließen, behalten sich Bund und Land vor.

Vorerst ist also noch Geduld gefragt: Bis fest steht, wer tatsächlich das Rennen macht, wird das Jahr 2022 ins Land gehen.

 

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 22. Januar 2021 / Redakteurin: Simone Prenzel

Bild oben: Magdeborner Halbinsel und Störmthaler See © Prof. Andreas Berkner

 

Zurück